Studie zur mentalen Gesundheit: Mit Reden zu mehr Glück

Sind Psychotherapie, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen noch ein Tabu? Der Mai ist Mental Health Awareness Month – anlässlich dessen haben REDEZEIT FÜR DICH und Appinio 3.000 Personen aus Deutschland, Spanien, Frankreich, den USA und Großbritannien zu ihrer mentalen Gesundheit und Nutzung von Hilfsangeboten befragt. Die Studie zeigt eine wachsende Akzeptanz von mentalen Hilfsdiensten in fast allen Ländern, aktuelle Hindernisse und Chancen.

Ergebnisse im Überblick:

  • Deutsche sind glücklicher: 81 Prozent der Deutschen geben an, aktuell (eher) glücklich zu sein. Etwas mehr als jeder dritte Deutsche (39%) hat eine Verbesserung der mentalen Gesundheit im letzten Jahr erlebt, vor allem junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren. Mehr als die Hälfte (56%) von ihnen geben an, dass sich ihre mentale Gesundheit im letzten Jahr (eher) verbessert hat.

  • Jeder vierte Deutsche hat bereits eine Psychotherapie in Anspruch genommen (27%): Weitere 46 Prozent ziehen sie in Betracht.

  • Diverse Hindernisse beim Zugang: Zeit, Geld, Mut und der Glaube, die psychischen Belastungen seien nicht stark genug.

  • Der schwere Gang zum Therapeuten? “Reden hilft, seelische Belastungen zu reduzieren” – dieser Aussage stimmen 91 Prozent der Deutschen (eher bis voll und ganz) zu. Darüber hinaus geben drei von vier Personen an, manchmal oder oft mit anderen, zum Beispiel Freunden und Freundinnen oder Familie, über ihre mentale Gesundheit zu sprechen (76%). Die Umfrage zeigt auch einen klaren Trend zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe: Jeder vierte Deutsche hat bereits eine Psychotherapie in Anspruch genommen und ein weiterer großer Anteil (46%) zieht dies in Betracht. Ähnliches gilt für die Nutzung ärztlicher oder psychiatrischer Hilfe zur mentalen Gesundheit.

  • Trotz dieser positiven Trends gibt ein großer Teil der Befragten an, keine Hilfe zu suchen. Die Hauptgründe hierfür sind der Glaube, dass ihre psychische Belastung nicht stark genug sei (41%), mangelnder Mut, Hilfe in Anspruch zu nehmen (25%), sowie zeitliche (25%) und finanzielle Hürden (18%). Weiterhin wissen viele nicht, wo sie passende Informationen finden können (16%) oder finden keinen Platz, der von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird (14%).

  • Eine Chance: Zwei von drei Deutsche könnten sich vorstellen, auch Online-Hilfsdienste in Anspruch zu nehmen (65%). Dies zeigt, dass digitale Lösungen eine immer wichtigere Rolle bei der psychischen Gesundheitsversorgung spielen könnten.

  • Internationaler Vergleich: Die Hürden zur Inanspruchnahme mentaler Hilfsdienste variieren je nach Land: Während es Deutschen und Franzosen oft an Mut mangelt, geben Befragte aus den USA häufiger an, sich keine private Hilfe leisten zu können. In Spanien fehlen häufig Plätze, die von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden.

Vergleich mit unseren Studien aus 2022 und 2023

In den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für psychische Gesundheit in Deutschland deutlich weiterentwickelt. Dies spiegelt sich in den Einstellungen und dem Verhalten der Bevölkerung wider, wie aus einer umfassenden Analyse von 2022 bis 2024 hervorgeht. Diese Entwicklung wird besonders in der zunehmenden Bereitschaft, über psychische Probleme zu sprechen, der Nutzung von Online-Gesundheitsangeboten und der steigenden Akzeptanz von therapeutischen Diensten sichtbar.

  • Steigende Glücklichkeitsbewertung: Die durchschnittliche Bewertung der allgemeinen Glücklichkeit ist von 2022 bis 2024 signifikant gestiegen, von einem Mittelwert (M) von 2.56 auf 3.09. Der größte Anstieg fand zwischen 2022 und 2023 statt, was durch einen moderaten Effekt (Cohen's d = 0.55) belegt wird. Zwischen 2023 und 2024 blieb das Niveau der Glücklichkeit stabil, was durch einen sehr kleinen Effekt (d = 0.09) angezeigt wird.

  • Erhöhte Kommunikationsbereitschaft: Die Bereitschaft, mit anderen über seelische Belastungen zu sprechen, hat insbesondere zwischen 2023 und 2024 zugenommen, was durch einen moderaten Effekt (d = 0.51) verdeutlicht wird. Dies zeigt eine wachsende Offenheit in der Bevölkerung, über mentale Gesundheitsprobleme zu sprechen.

  • Nutzung von Online-Hilfsangeboten: Die Akzeptanz von Mental Health Angeboten im Internet ist von 2022 bis 2024 gestiegen, mit einem signifikanten, aber moderaten Anstieg zwischen 2022 und 2023 (d = 0.30). Die leichte Abnahme im Effekt von 2023 zu 2024 (d = 0.08) könnte auf eine Sättigung oder auf das Erreichen eines gewissen Niveaus an Akzeptanz hindeuten.

  • Inanspruchnahme von Therapie und Beratung: Die Bereitschaft, therapeutische und beratende Hilfsangebote anzunehmen, hat über den untersuchten Zeitraum ebenfalls zugenommen, besonders zwischen 2022 und 2023. Der Anstieg von 73.90% auf 81.10% der positiven Antworten unterstreicht eine zunehmende Anerkennung und Inanspruchnahme dieser Dienste.

Diese Trends deuten darauf hin, dass sich die Einstellung zur mentalen Gesundheit in Deutschland positiv entwickelt, mit zunehmender Offenheit und einem wachsenden Bewusstsein für die Bedeutung von psychischer Gesundheitsfürsorge. Die steigende Bereitschaft, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen und über psychische Belastungen zu sprechen, könnte auch auf verbesserte Verfügbarkeit von Informationsquellen und eine Abnahme des Stigmas um die mentale Gesundheit zurückzuführen sein. Dies ist ein ermutigender Fortschritt, der zeigt, dass Aufklärung und öffentliche Gesundheitsinitiativen Wirkung zeigen.

Psychologische Hilfe und Zugangsbarrieren

Es ist ermutigend festzustellen, dass bereits 27% der Deutschen psychologische Hilfe in Anspruch nehmen und ein weiterer großer Anteil sich vorstellen kann, solche Dienste zu nutzen. Damit zeigen die Ergebnisse eine wachsende Akzeptanz und Nutzung von mentalen Gesundheitsdiensten, obwohl noch Herausforderungen in der vollständigen Akzeptanz und Zugänglichkeit bestehen. Politische Unsicherheiten und sozioökonomische Faktoren spielen weiterhin eine große Rolle im mentalen Wohlbefinden der Deutschen, was die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Aufklärung und Verbesserung der verfügbaren Dienste unterstreicht.

Die Studie zeigt, dass viele Deutsche trotz des Bewusstseins um die Bedeutung mentaler Gesundheit Unterstützungsdienste wie Psychotherapie oder Beratung nicht in Anspruch nehmen. Die Befragten in Deutschland gaben folgende Hauptgründe an, warum sie bisher keine Unterstützung gesucht haben:

  • Geringe psychische Belastung: 41% der Befragten glauben, dass ihre psychische Belastung nicht stark genug ist, um professionelle Hilfe zu benötigen.

  • Zeitmangel: 25% der Befragten haben angegeben, dass sie sich keine Zeit dafür nehmen können.

  • Finanzielle Gründe: 18% der Befragten gaben an, dass sie sich private Hilfe nicht leisten können.

  • Stigmatisierung: 10% der Befragten nannten die Angst vor Stigmatisierung als Grund.

  • Fehlendes Vertrauen: 6% der Befragten haben kein Vertrauen in die Wirksamkeit der Unterstützung.

  • Fehlende Übersicht: 16% wissen nicht, wo sie passende Informationen finden können.

  • Fehlende Kassenplätze: 14% geben an, keinen Platz zu finden, der von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Wahrnehmung einer geringen psychischen Belastung das am häufigsten genannte Hindernis darstellt. Viele Menschen unterschätzen möglicherweise ihre Symptome und den Bedarf an Unterstützung. Zeitmangel und finanzielle Hürden bleiben bedeutende Barrieren, während die Angst vor Stigmatisierung und fehlendes Vertrauen in die Wirksamkeit der Unterstützung ebenfalls wichtige Hindernisse sind.

Einfluss der politischen Lage

Ein entscheidender Einflussfaktor für die mentale Gesundheit der Deutschen ist die aktuelle politische Lage. Laut der Studie gibt die Hälfte der Deutschen an, dass die politische Lage ihr mentales Wohlbefinden beeinflusst. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund jüngster politischer Entwicklungen relevant, wie der Pandemiebekämpfung und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Besonders die ältere Generation scheint empfindlich auf die politische Stimmung zu reagieren, was auf die Bedeutung der politischen Stabilität für das emotionale Wohlergehen der Bürger hinweist.

Stigmatisierung

Die Studie zeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung regelmäßig über ihre mentale Gesundheit spricht, was ein positives Zeichen für die Abnahme des Stigmas rund um das Thema mentale Gesundheit ist. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von offenen Gesprächen und sozialer Unterstützung. Dieser Trend wird durch eine zunehmende Verfügbarkeit und Nutzung von Online-Hilfsdiensten unterstützt, die einen niedrigschwelligen Zugang zu psychologischer Unterstützung ermöglichen.

Notwendigkeit politischer und gesundheitlicher Maßnahmen

Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen, dass trotz der Fortschritte in der mentalen Gesundheitsversorgung und der zunehmenden Akzeptanz der Thematik weiterhin erhebliche Herausforderungen wie politische Unsicherheiten und sozioökonomische Barrieren bestehen. Es ist notwendig, integrierte und zugängliche Gesundheitsdienste zu entwickeln, um die mentale Gesundheit in Deutschland weiter zu fördern. Dies erfordert eine Reduzierung von Stigmatisierung und eine Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen. Gesundheitspolitische Maßnahmen sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Trends basieren, um eine resiliente und psychisch gesunde Gesellschaft zu fördern.

In Anbetracht der aktuellen gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Lage, wie der COVID-19-Pandemie, wirtschaftlichen Unsicherheiten und politischen Spannungen, hat die Bedeutung der mentalen Gesundheitsfürsorge verstärkt Einzug ins öffentliche Bewusstsein gehalten. Die Studie trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer umfassenden mentalen Gesundheitsvorsorge zu schärfen und liefert wichtige Daten für die Gestaltung von Gesundheitspolitik und präventiven Maßnahmen.

Digitalisierung und ihre Auswirkungen

“Die Digitalisierung hat einen komplexen und vielschichtigen Einfluss auf die psychische Gesundheit, mit sowohl positiven als auch negativen Aspekten. Die Integration digitaler Lösungen in die psychische Gesundheitsversorgung kann dazu beitragen, den Zugang zu Hilfe zu verbessern. Gleichzeitig sollten politische Maßnahmen ergriffen werden, um eine gesunde digitale Infrastruktur zu schaffen, die den Schutz der Privatsphäre und den verantwortungsvollen Umgang mit Informationen gewährleistet”, sagt Karen Tippkötter von REDEZEIT FÜR DICH. Vermehrte Probleme stellen vor allem Cybermobbing und Online-Sucht dar sowie der Druck, online präsent zu sein. Aspekte, die negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können.

Spezifische Bevölkerungsgruppen und ihre Herausforderungen

Bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie ältere Menschen oder Migranten, stehen vor spezifischen Herausforderungen in Bezug auf ihre mentale Gesundheit. Diese umfassen den Verlust sozialer Kontakte, körperliche Einschränkungen und die Anpassung an neue kulturelle Umgebungen. Es ist wichtig, spezifische Unterstützungssysteme und Dienstleistungen für diese Gruppen bereitzustellen, um ihre psychische Gesundheit zu fördern und ihnen ein würdevolles und erfülltes Leben zu ermöglichen.

Nachbarland Frankreich: Therapiemuffel?

Auch international finden mentale Hilfsangebote immer mehr Beachtung. In den USA hat bereits jeder Dritte eine Psychotherapie in Anspruch genommen (33%) – weitere 40 Prozent können sich eine Psychotherapie in Zukunft vorstellen. In Frankreich ist die Partizipation an mentalen Hilfsdiensten vergleichsweise gering. Nur 13 Prozent der Befragten geben an, eine Psychotherapie in Anspruch genommen zu haben. Auch insgesamt sprechen Franzosen deutlich seltener über ihre mentale Gesundheit mit anderen: So gab fast jeder zweite Franzose an, nie oder nur selten hierüber zu sprechen (46%) und deutlich weniger Franzosen stimmten der Aussage zu, dass Reden hilft, seelische Belastungen zu reduzieren. Dabei unterscheiden sich die Hürden, um mentale Hilfsdienste in Anspruch zu nehmen, je nach Land. Während es Deutschen und Franzosen öfter an Mut mangelt, geben die Befragten aus den USA häufiger an, sich keine private Hilfe leisten zu können. In Spanien fehlen oftmals Plätze der gesetzlichen Krankenkassen.

Die Umfrage ergab auch interessante internationale Vergleiche zum Thema Digitalisierung im internationalen Kontext: In Frankreich sehen 42 Prozent der Befragten Online-Dienste als Option, während 58 Prozent skeptisch bleiben. In Spanien sind 50 Prozent der Bevölkerung offen für Online-Hilfsdienste, obwohl viele den persönlichen Austausch bevorzugen. In Großbritannien finden Online-Hilfsdienste bei 71 Prozent der Befragten Anklang, was auf eine hohe Offenheit für digitale Gesundheitsdienste hinweist. In den USA ist die Akzeptanz von Gesprächen über mentale Gesundheit sowie von Online-Angeboten im Vergleich zu den anderen Ländern besonders hoch (74%).

Politische und kulturelle Entwicklungen

Auf politischer Ebene hat die Bedeutung der mentalen Gesundheit in den letzten Jahren an Anerkennung gewonnen. Es wurden vermehrt Maßnahmen ergriffen, um die Versorgung und den Zugang zu psychologischer Hilfe zu verbessern. Dies spiegelt sich beispielsweise in der Einführung der Online-Psychotherapie und der Anerkennung psychischer Erkrankungen als gleichwertige Erkrankungen im Vergleich zu körperlichen Erkrankungen wider. Die Förderung von psychischer Gesundheit hat sich zu einem wichtigen politischen Anliegen entwickelt, das die Lebensqualität der Menschen verbessern und die wirtschaftlichen Auswirkungen von psychischen Erkrankungen verringern soll.

Darüber hinaus sind auch kulturelle Veränderungen und gesellschaftliche Normen von Bedeutung. Es gibt heute eine größere Sensibilisierung und Akzeptanz für psychische Gesundheitsprobleme in der Gesellschaft, was zu einer Abnahme des Stigmas rund um diese Thematik führt. Dies ermöglicht offene Gespräche und einen leichteren Zugang zu Unterstützungsdiensten für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Jedoch gibt es immer noch Herausforderungen, wie Vorurteile und Diskriminierung, die es zu überwinden gilt, um eine uneingeschränkte Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen in die Gesellschaft zu gewährleisten.

Insgesamt spielen also verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen und politische Maßnahmen eine bedeutende Rolle für die Förderung der mentalen Gesundheit in Deutschland und Europa sowie den USA. Die gesellschaftliche Akzeptanz und Offenheit gegenüber dem Thema Mental Health, die Integration von digitalen Lösungen und die Bereitstellung von Unterstützungssystemen für spezifische Bevölkerungsgruppen tragen dazu bei, dass Menschen ihre mentale Gesundheit besser verstehen, darüber sprechen und Zugang zu adäquater Unterstützung erhalten können. Es bleibt jedoch eine kontinuierliche Anstrengung erforderlich, um die Herausforderungen anzugehen und die mentale Gesundheit zu einem zentralen Anliegen auf individueller, gesellschaftlicher und politischer Ebene zu machen.

Zitation: Die Umfragen wurden vom 02. bis 14. Mai 2024 von Appinio durchgeführt. Befragt wurden 1.000 Personen in Deutschland, und jeweils 500 Personen in Frankreich, Spanien, den USA und Großbritannien, von 16 bis 65 Jahren, national repräsentativ für das Alter und Geschlecht der nationalen Bevölkerung.

Zu den deutschen Studienergebnissen im Appinio Dashboard geht es hier.

Zu den internationalen Studienergebnissen im Appinio Dashboard geht es hier.

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Über Appinio

Appinio ist eine globale Marktforschungsplattform, die für innovative und unkomplizierte Marktforschung steht. Die Plattform ermöglicht es Unternehmen, schnell und effizient spezifische Zielgruppen zu befragen und repräsentative Ergebnisse in Echtzeit zu erhalten. Dabei liefert Appinio täglich Millionen Meinungen aus 90+ Märkten für über 2.000 Auftraggebende, darunter Unternehmen aus den Bereichen Konsumgüter, Mobilität, Technologie sowie alle führenden Agenturen und Unternehmensberatungen. Das Unternehmen wurde 2014 von Jonathan Kurfess (Chairman), Max Honig (CEO) und Kai Granaß (CTO) gegründet und hat seinen Hauptsitz in Hamburg, Deutschland. Weitere Informationen unter  www.appinio.com/de